Kann KI Kunst?
Oder, kann KI kreativ sein? In wirklich jedem Artikel und in jeder Diskussion über Kunst und KI werden diese Fragen immer wieder gestellt. Die angebotenen Antworten sind sehr unterschiedlich. Schon die Frage offenbart, dass sich die Diskutierenden vermutlich nicht intensiv mit praktischer Anwendung bildgenerierender neuronaler Netzwerke beschäftigt haben. Die eindeutige Antwort auf die Frage muss aber (zumindest bisher und wenn die Frage so gestellt wird) Nein lauten. Doch dazu gleich mehr.
Ist KI wirklich intelligent?
Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ hat sich – leider schon durchgesetzt. Zwar ist die Definition von Intelligenz beim Menschen komplex und nach wie vor umstritten. Dennoch bezeichnen wir einfach mal die neuronalen Netzwerke mit ihren Algorithmen als „Künstliche Intelligenz“? Der Begriff erscheint mir irreführend und kontraproduktiv. Bei vielen Menschen erzeugt er Angst und Abwehr. Schon das Wort „künstlich“ hat eine negative Konnotation, denn für viele hat das Gegenteil „natürlich“ eine positive Bedeutung. Und neuronale Netzwerke als eine Intelligenz zu bezeichnen, ist im besten Fall voreilig. So verstehen wir die „Künstliche Intelligenz“ als eine künstliche Persönlichkeit mit einem Bewusstsein. Denn oft spricht man schon jetzt: die KI denkt das wäre so und so, die KI weiß nicht, wie viel 7 oder 12 Katzen sind. Was impliziert, dass sie dafür andere Dinge „weiß“.
Man sollte sich immer vor Augen halten, dass es sich hier lediglich um neuronale Netzwerke mit unglaublich vielen neuronalen Knoten (Neuronen) handelt und dass in den Neuronen verblüffend simple Rechenoperationen stattfinden. Aufgrund der überraschenden Ergebnisse, die mit Hilfe dieser neuronalen Netzwerke geliefert werden, neigen wir jedoch dazu, diese Technologie zu vermenschlichen. KI wird oft auch als Assistent bezeichnet – einfach weil es sich so anfühlt.
Zurück zu der Frage ob KI Kunst kann. Sie kann es nicht – ohne den Menschen. Die neuronalen Netzwerke sind völlig passiv, solange sie nicht von außen irgendeinen Input erhalten. Im Falle von bildgenerierenden neuronalen Netzwerken ist also immer auch ein Mensch notwendig. Gleiches gilt für die Frage nach der Kreativität. Man kann mit Hilfe von „KI“ in jedem Fall kreative Ergebnisse erzielen. Aber die Betonung liegt hier auf „mit Hilfe“.
Was in der Diskussion über KI auch immer gern besprochen wird ist der Vergleich KI vs. Künstler. Dieser Vergleich ist genauso sinnvoll wie der Vergleich Kettensäge und Holzfäller. Die Kettensäge geht nicht allein in den Wald und entscheidet welcher Baum gefällt wird, wie er fallen muss und schreitet dann zur Tat. Der Holzfäller hingegen, kann mit einer Kettensäge viel einfacher als mit einer Axt einen Baum fällen. Denn Axt und Kettensäge sind nur Werkzeuge und brauchen einen Holzfäller der sie benutzt. So verhält es sich auch mit den neuronalen Netzwerken. Sie können Werkzeug für den Künstler sein. Neuronale Netzwerke entscheiden nicht was für ein Bild und wie sie ein Bild generieren. Sie können auch nicht entscheiden wann das Werk fertig ist oder ob noch etwas daran geändert werden muss. Ohne den Menschen passiert hier gar nichts.
Das Bild entsteht nicht aus der KI heraus.
Künstlerinnen und Künstler haben eine Idee, eine Vision eines Bildes oder eine Stimmung in sich, die sie mit Hilfe von KI visualisieren möchten. Sie wählen das Motiv und beschreiben es so gut wie möglich. Sie können Farben und Techniken wählen. Und können sogar ihren persönlichen Stil einbringen und auch mit eigenen Skizzen oder Bildern den Bildaufbau, Stil und Stimmung bestimmen. Künstler selektieren ihre Ergebnisse, verändern sie gezielt weiter mit der KI oder anderen Computerprogrammen. Sie bringen das Bild auf ein Medium ihrer Wahl und können es nachbearbeiten mit Farbe und anderen Materialien. Danach muss der kreative Prozess noch nicht beendet sein. Denn die Ergebnisse können dann auch Teil einer Konzeptidee werden. So sieht die praktische Seite der Künstler aus, die KI nutzen.
Die andere Seite der KI
Natürlich gibt es auch Menschen die keine Künstler sind und die KI benutzen um „nerdigen Kitsch“ zu produzieren, wie das der Redakteur Dr. Wolfgang Stieler von Heise.de in einem Artikel einmal treffend bezeichnet hat. Und es ist leider die große Mehrheit der KI-Nutzer, die sich bevorzugt halbnackte Frauen, süße Kätzchen, lustige Comicfiguren, Inneneinrichtungen, Herzchen, Sonnenuntergänge, Sportwagen, martialische Krieger, Halloween-Kürbisse, Totenköpfe und so weiter, von einer KI generieren lassen. Die Liste nichtkreativer Motive ließe sich unendlich fortsetzen. Eine besondere Sparte bilden aber die unzählig vielen Bilder, die im Stile von … generiert werden. Das kann interessant oder lustig sein – aber künstlerisch ist das sicher nicht. Das bestätigt aber auch, dass die neuronalen Netzwerke ohne die Kreativen, keine kreativen Ergebnisse hervorbringen.
Ich gestehe hier, dass ich meine ersten drei Bilder im März 2023 im Stile von Albrecht Dürer generiert habe. Die Nennung von Künstlernamen in einem Prompt ist aber vielleicht keine so gute Idee. Zumindest dann nicht, wenn die Künstler noch leben oder ihre Werke noch nicht gemeinfrei sind. Denn die meisten der bildgenerierenden neuronalen Netzwerke wurden mit Bildern von Künstlern trainiert – ohne deren Zustimmung. Es geht hier um die Nutzungsrechte, die immer bei den Urhebern liegen, solange die Künstler diese nicht verkaufen oder abtreten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass es bereits Klagen von Künstlern gegen die Betreiber der großen Netzwerke gibt.
Daraus ergibt sich aber eine weitere Frage. Was ist eigentlich eine Nutzung? Wenn ich in eine Galerie gehe und Bilder einer zeitgenössischen Künstlerin beispielsweise sehe, ist das eine Nutzung? Denn ich nehme die Bilder und den Eindruck in meinem Gedächtnis mit und bin inspiriert. Müsste ich in diesem Fall der Künstlerin etwas zahlen? Das ist natürlich eine absurde provokante Frage. Natürlich nicht. Die klagenden KünstlerInnen beschweren sich aber auch darüber, dass man ihren Stil kopiert für deren Entwicklung sie viele Jahre gebraucht haben.
Das deutsche Urheberrecht ist da übrigens sehr eindeutig. Der Stil eines Künstlers ist, ähnlich wie eine Idee, nicht geschützt. Das Urheberrecht schützt nur die konkrete Ausführung oder Gestaltung eines Werkes, nicht aber allgemeine künstlerische Techniken. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Regelung die künstlerische Freiheit und Innovation fördert. Würden Stile geschützt, könnte dies die Entwicklung neuer künstlerischer Ausdrucksformen erheblich einschränken. Künstler können sich also von den Stilen anderer inspirieren lassen und diese weiterentwickeln, ohne dabei das Urheberrecht zu verletzen, solange sie keine spezifischen Werke kopieren.
Es sei noch erwähnt, dass die KI schon per Gesetz nicht Urheber sein kann. Denn das kann nur eine natürliche Person sein. Also beispielsweise ein Künstler.
Ein Vorschlag
Ich persönlich fände es aber gut, wenn man die Nennung von Künstlernamen, deren Werke nicht gemeinfrei sind, in Prompts schon von technischer Seite verhindern würde. Bestimmte Begriffe, die entsprechend den Nutzungsbedingungen der Betreiber von KI nicht erlaubt sind, werden schon jetzt erfolgreich geblockt. Das sollte mit Künstlernamen auch problemlos möglich sein. Dann würden keine Bilder mehr entstehen, die man sofort einem bestimmten Künstler zuordnen kann. Und es gebe nicht mehr diese Flut von Plagiaten. Abgesehen natürlich von „Klimts“, „Van Goghs“, „Schieles“ und „Dürers“, deren Werke gemeinfrei sind.
Und was ist eigentlich Kunst?
Die neuronalen Netzwerke sind ungeheuer mächtige Werkzeuge. Für mich bedeuten sie Ermächtigung und die Demokratisierung des künstlerischen Schaffensprozesses. Dass dieser Schaffensprozess zwangsläufig mit einem Pinsel oder einer Druckerpresse zu tun haben muss, ist unzutreffend. Denn allein der Pinsel und die Farbe, machen noch keine Kunst. Genauso wenig wie die Nutzung von neuronalen Netzwerken. Es ist und bleibt der Mensch, der die Kunst schafft.
„Die große Leistung des 20. Jahrhunderts ist, dass man andere Kategorien für bedeutende Kunst gefunden hat, als anatonmische Richtigkeit oder handwerkliche klassische Ausbildung. Es geht immer um eine Form; welche Ausdrucksform findest du für deine Botschaft und für das was du sagen willst.“ (Florian Illies, 3. Mai 2023)
Was Kunst ist? Eine Frage die so alt ist wie die Kunst selbst. Der Zukunftsforscher Bernd Flessner hat hier eine klare Meinung: „Wenn ein Kunstwerk für die Rezipienten, die ein Bild anschauen, ein Musikstück anhören oder ein Buch lesen, etwas aussagt, dann ist es Kunst, völlig unabhängig davon, wie sie entstanden ist“. So sehe ich das auch. Wenn ich ein Bild betrachte und es löst ein starkes Gefühl in mir aus, so ist es für mich Kunst. Eigentlich ganz einfach.
Wer sich mit dieser grundlegenden und uralten Frage etwas mehr beschäftigen möchte, dem kann ich eine Buchempfehlung geben. Das Buch „So geht Kunst!“ von Grayson Perry befasst sich mit dieser Frage auf eine sehr unterhhaltsame Weise und ist keinesfalls nur graue Theorie.